Rechtsgutachtens zum Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung neuer Gentechnikverfahren

22. September 2023 | Pressemitteilung mit MdB Harald Ebner
Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Deregulierung neuer Gentechnikverfahren in der Landwirtschaft verstößt gegen den Vertrag von Lissabon und gegen das Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit. Fotos: Laurence Chaperon / Jörg Farys

22.09.2023, Berlin – Karl Bär und Harald Ebner zur Veröffentlichung eines Rechtsgutachtens zum Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung neuer Gentechnikverfahren

Zur Veröffentlichung eines Rechtsgutachtens im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung neuer Gentechnikverfahren erklären Karl Bär, Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, und Harald Ebner, Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz:

Karl Bär, Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft: „Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Deregulierung neuer Gentechnikverfahren in der Landwirtschaft verstößt gegen den Vertrag von Lissabon und gegen das Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit. Das ist das Ergebnis eines Rechtsgutachtens der Kanzlei GGSC in Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion. Der Vorschlag ist so schlecht, dass eine Klage dagegen gute Erfolgsaussichten hätte. Unser Rechtsgutachten hat ergeben, dass der Vorschlag gegen das in den EU-Verträgen vorgeschriebene Vorsorgeprinzip verstößt.  Vorsorgeprinzip heißt, dass Risiken bewertet und gemanagt werden. Doch die Kommission will alle Maßnahmen zur Abschätzung und zur Abwendung von Umwelt- und Gesundheitsrisiken für mit neuen Gentechnikmethoden veränderte Pflanzen abschaffen. Die Abschaffung einer Einzelfallprüfung verstößt zudem gegen die Vorschriften des Cartagena-Protokolls, das die EU ratifiziert hat.“

Harald Ebner, Mitglied des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: „Der Kommissionsvorschlag ist blind für Umwelt- Gesundheitsrisiken, die von gentechnisch veränderten Organismen ausgehen können. Diese bestehen unabhängig davon, ob sie mit neuen oder mit alten Gentechnikmethoden verändert wurden. Stimmen EU-Parlament und Ministerrat diesem Vorschlag zu, dann wäre künftig jeder Staubsauger in der EU besser geprüft als unser Essen. Das kann niemand wollen. Vorsorge, die Wahl im Regal und Rückverfolgbarkeit müssen uneingeschränkt erhalten bleiben. Daher ist es nicht zu akzeptieren, dass die EU-Kommission die Kennzeichnungspflicht und die Möglichkeiten der Rückverfolgbarkeit für mit neuen Methoden gentechnisch veränderten Lebensmittel abschaffen möchte. Wir sehen uns durch das Gutachten in unserer Haltung bestätigt und setzen uns weiter für den Erhalt des europäischen Vorsorgeprinzips, eines strengen Zulassungsverfahrens und der Wahlfreiheit für Verbraucher*innen und Landwirt*innen durch eine verpflichtende Kennzeichnung ein. Nicht nur damit ist der Vorschlag der Europäischen Kommission nicht vereinbar. Wir sehen uns durch das Gutachten in unserer Haltung bestätigt und setzen uns weiter für den Erhalt des europäischen Vorsorgeprinzips, eines strengen Zulassungsverfahrens und der Wahlfreiheit für Verbraucher*innen und Landwirt*innen durch eine verpflichtende Kennzeichnung ein. Nicht nur damit ist der Vorschlag der Europäischen Kommission nicht vereinbar.“

Hintergrund:

Der Kommissionsvorschlag sieht vor, für fast alle aktuell mit neuen Techniken durchführbaren Gentechnikanwendungen an der Pflanze (ca. 94%) die bislang durch das Vorsorgeprinzip begründeten Maßnahmen des Gentechnikrechts (u.a. Richtlinie 2001/18/EC), vor allem die Risikoprüfung im Einzelfall abzuschaffen. Durch die zusätzliche Abschaffung der Kennzeichnungspflicht werden diese Pflanzen nicht rückverfolgbar sein, sodass auch Haftungsfragen bei negativen Auswirkungen der Technik ungeklärt blieben. Beispielsweise könnte ein Raps mit den neuen gentechnischen Methoden so verändert werden, dass er sich für industrielle Zwecke besser eignet, aber bei Verwendung in Lebens- oder Futtermitteln giftig ist. Wenn dieser Raps in die Kategorie 1 NGT eingestuft würde, gäbe es keine Auflagen für seinen Anbau. Würde sich dieser Raps beim Anbau auf benachbarte Felder auskreuzen, auf denen Raps für Lebens- oder Futtermittelzwecke angebaut, wird, könnte nach Vermischung der Verzehr des benachbarten Rapses zu Vergiftungen bei Menschen oder Tieren führen. Da der Kommissionsvorschlag keinerlei Risikoprüfung vor Anbau verlangt, ist denkbar, dass die Giftigkeit des Rapses zunächst nicht einmal bekannt ist. Es kann also sein, dass es Monate oder Jahre dauert, bis Vergiftungserscheinungen überhaupt dem eingekreuzten Gentechnik-Raps als Verursacher zugerechnet werden können. Im Ergebnis hätte der Kommissionsvorschlag also zur Folge, dass es nicht nur an präventiven Risikomanagementmaßnahmen fehlt, sondern auch an geeigneten Instrumenten, um nachträglich festgestellten Risiken angemessen Rechnung tragen zu können.

Kernpunkte und ganzes Gutachten