Der Anfang vom Ende von Patenten auf Pflanzen? Ein Rechtsgutachten der grünen Bundestagsfraktion zeigt praktische Möglichkeiten auf.

05. Dezember 2024 | Pressemitteilung
Als Grüne Bundestagsfraktion haben wir den Patentrechtsexperten Prof. Dr. Axel Metzger von der Humboldt Universität Berlin beauftragt, mögliche Patentrechtsänderungen in einem Gutachten auszuarbeiten. Unser Patentgutachten zeigt, dass es rechtlich möglich ist, Patente auf Gene oder Eigenschaften, die bereits in der Natur vorkommen, zu verbieten.

Mit Pflanzenpatenten bestimmen immer weniger Unternehmen über unsere Ernährung und Preise. Patente auf Pflanzen oder ihre Gene behindern den Fortschritt in der Züchtung und führen zu weniger Sorten und teurerem Saatgut. Wer ein Patent besitzt, kann anderen deren Nutzung verbieten oder die Zahlung einer Lizenzgebühr verlangen. Das zerstört die Grundlage für die Züchtung neuer Pflanzensorten.

Ein Beispiel liefert die Tomate, Deutschlands beliebtestes Gemüse: Auf natürlich vorkommende Resistenzen gegen das grassierenden Jordanvirus haben mittlerweile mehrere Unternehmen über 20 Patente angemeldet. So ist ein unübersichtliches Patentdickicht entstanden, das Rechtsunsicherheit und horrende Kosten für Lizenzgebühren von bis zu 5% der Umsätze mit sich bringt. Die Folge ist weniger, dafür teureres Saatgut. Darum verzichten kleine Züchtungsunternehmen nun auf Züchtungsprojekte mit resistenten Tomaten. Ein ganzer Züchtungsbereich bricht für sie weg.

Und das Problem wird immer größer: Mit neuen gentechnischen Methoden wie CRISPR/Cas können genetische Pflanzeneigenschaften, die z.B. in Wildpflanzen oder alten Sorten vorkommen, technisch nachgebaut und patentiert werden. Die Grüne Bundestagsfraktion hat deshalb den Patentrechtsexperten Prof. Dr. Axel Metzger von der Humboldt Universität Berlin beauftragt, mögliche Patentrechtsänderungen in einem Gutachten auszuarbeiten.

MdB Karl Bär, Berichterstatter der grünen Bundestagsfraktion für Saatgut, Gentechnik und Züchtung kommentiert:

Unser Patentgutachten zeigt, dass es rechtlich möglich ist, Patente auf Gene oder Eigenschaften, die bereits in der Natur vorkommen, zu verbieten. Um das umzusetzen, müssten das Europäische Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten die europäische Biopatentrichtlinie ändern.

Auch die Wirkung von bestehenden und zukünftigen Patenten können wir laut unserem Gutachten beschränken. So könnte die EU in der Biopatentrichtlinie klarstellen, dass der Patentschutz nicht greift, wenn ein Züchter eine zuvor patentierte Eigenschaft

durch Selektion und biologische Kreuzung von Pflanzen erreicht. Die EU könnte auch festlegen, dass der Patentschutz nur für Gentechnikverfahren wie CRISPR/Cas selbst gilt, nicht aber für die dadurch erzeugte Eigenschaft. Durch diese Klarstellungen müssten Züchter*innen weniger Angst vor Patentrechtsstreitigkeiten haben, wenn sie mit Eigenschaften züchten, an denen zugleich die Gentech-Industrie arbeitet.

Damit Patente die Züchtungsarbeit nicht durch zu hohe Lizenzgebühren blockieren, können wir auf nationaler Ebene Patentinhaber dazu verpflichten, ihre Lizenzen für einen durch Gerichte festgelegten Preis anzubieten. Außerdem können wir die Transparenz rund um bestehende Patente verbessern: Alle Patente auf Lebewesen oder Gene sollten in einem staatlichen Register transparent gemacht werden. Das schafft Klarheit und Rechtssicherheit für Züchtungsunternehmen und Landwirte.

Das Gutachten zeigt zudem auf, welche Vorschläge momentan nicht mit internationalem und europäischem Recht vereinbar wären. Dazu gehört der Vorschlag des europäischen Parlaments: Sein Vorschlag ist, mit neuen Gentechnikmethoden hergestellte Pflanzen von der Patentierung auszunehmen. Das ist jedoch nicht mit dem Europäischen Patentübereinkommen vereinbar. Genauso wenig umsetzbar ist der Vorschlag der belgischen Präsidentschaft im Rat der europäischen Agrarminister: Er will die Abschaffung von Kennzeichnungspflicht und Risikoprüfung für Pflanzen aus neuer Gentechnik an die Bedingung knüpfen, dass auf diese keine Patente angemeldet werden. Das widerspricht zwar nicht dem internationalen Patentrecht, ist aber innerhalb des europäischen Rechts sachfremd.

Jetzt gilt es, die praktisch umsetzbaren Änderungen im europäischen und im nationalen Recht schnell umzusetzen. Zugleich dürfen wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren, die Patentierung von Lebewesen insgesamt zu beenden. Denn bei Patenten auf Leben gilt mehr als irgendwo sonst: „Eigentum ist Diebstahl“. Gene oder Eigenschaften von Pflanzen gehören niemandem. Einzelne Unternehmen eignen sich damit etwas an, was vorher allen Menschen gehört hat.

Das Rechtsgutachten: